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aus dem laufalltag eines turtlerunners


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Der Reschenseelauf und die „verdammten Komma 3“

Die Ankunft am Reschensee (inkl. beginnender Panik)

Gute zwei Stunden Fahrtzeit bei 30°C Außentemperatur. Vier Mädels, ein Kofferraum voller Gepäck (das meiste davon meins, da ich Verpflegung für ungefähr 2 Wochen eingepackt hatte, man weiß ja nie) und die Vorfreude auf den Reschenseelauf. Tja, und da kam er dann. Der wunderschöne Reschensee. Mit ihm die sagenhafte Kirche, die im See steht. Besser gesagt: unter Wasser steht. Ein faszinierendes Bild. Einige Zeit war es still im Vier-Mäderl-Auto. Andächtig betrachteten wir die beeindruckende Landschaft. Jede hing ihren Gedanken nach. Bis endlich eine aussprach, was wir uns alle dachten: „Also, wenn das der See ist, um den wir rundum laufen – dann krieg ich jetzt Panik!“

Und ja, genau das war der See. Doch der sah irgendwie sehr viel größer als wir es uns vorgestellt hatten. Waren das wirklich nur 15,3 Kilometer? Vom ersten Gefühl her hätte ich auf rund 50 Kilometer getippt. Leichte Beunruhigung breitete sich aus. Aber naja, was soll ich sagen. Jetzt, wo wir schon mal da waren …

Am Reschensee.

Beim Startnummern abholen trafen wir dann die anderen unserer „Crew“. Und dann wurde es Zeit für das wichtigste vor einem Lauf bei knapp 30°C auf 1500 Höhenmeter: Essen! Ohne Treibstoff läuft nichts und so vereinbarten wir, uns am Start wiederzutreffen, während mein Vierer-Kleeblatt sich wieder auf den Weg zum Futter-Mobil machten. Im Schatten futterte jeder seine favorisierte Energiequelle und die Bandbreite reichte von Müsliriegel über Risotto, Fladenbrot und Kuchen bis hin zum Apfel. Man könnte sagen, wir waren wirklich gut vorbereitet, was den Proviant anging. Ich kaute so an meinem Fladenbrot, als ich Sarah sagen höre: „Also die 15 Kilometer, darauf bin ich eingestellt, das krieg ich hin. Aber diese verdammten Komma 3, ich glaube, das sind die, die uns zum Schluss dann noch fertig machen!“ Ich verschluckte mich beinahe an meinem Brötchen. Die 15 km sind ok? Aber die 0,3 am Schluss sind dann zuviel des Guten? Ich musste lachen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass sie die Lage ziemlich gut einschätzte.

Der Start

Es hatte ein wenig was vom Viehtrieb, wie wir uns da so eingepfercht in unsere Startblöcke vorwärts bewegten. Besser gesagt: vorwärts getrieben wurden. Zwischen unserem Startblock und den Nordic Walkern war nur ein hauchdünnes Absperrband in rot-weiß. Wir bekamen 1 Minute Vorsprung. Dann ging es los. Die Sonne heizte uns ordentlich ein und die ersten paar Meter über die Wiese waren ein wenig holprig. Es ging über die Brücke, immer entlang am Reschensee. Ein frische Wind, wehte mir um die Ohren, die ich vorsorglich mit einem Tuch bedeckt hatte. Mit Sarah an der Seite hatte ich eine a) passende Laufpartnerin, der ich nicht zu langsam war – wir pendelten uns bei gut 8 km/h ein und b) passende Gesprächspartnerin, dank der ich eine Weile nicht mal merkte, dass wir mal wieder von den Abschlussradfahrern begleitet wurden.

Der Lauf

Immer wieder kamen uns Läufer entgegen, die abgebrochen oder aufgegeben hatten – zumindest machte es so den Anschein. Ich denke, einige hatten die Sonne doch etwas unterschätzt und sind vielleicht zu schnell losgelaufen. Von hinten hörte ich plötzlich ein Klack-Klack-Klack und ich wusste: es war soweit! Der erste Nordic Walker ging zum Angriff über. Roberto (sein Name stand auf dem Shirt) stöckelte in einem Affenzahn an uns vorbei. Sarah und ich waren uns einig. Der gute Mann darf das, der sieht von hinten so gut aus, dass wir kein Problem damit haben, ihn direkt vor unserer Nase zu haben. Der schöne Anblick hielt leider nicht lange an – er war zu schnell für uns. Aber man kann ja nicht alles haben.

Der Buckel

Ich wurde bereits noch in heimatlichen Gefilden vor dem bösen Buckel zwischen Kilometer 9 und 10 gewarnt. Der wäre soooo steil und der hätte es in sich. Bei jedem minimalen Anstieg meinte Sarah: „Das war er jetzt, oder?“ und ich antwortete jedes Mal: „Ich fürchte, nein.“ So liefen wir weiter, mein Puls stetig bei knapp 160 Schlägen, was für einen Wettlauf schon fast eine kleine Sensation ist, denn unter 175 geht da normal nix bei mir. Ich hatte ein richtig gutes Laufgefühl. Ich mochte die Strecke, die Strecke mochte mich. Wir liefen über die Staumauer, auf Schotterwegen, an seltsamen Riesenbottichen vorbei, die im Stausee standen (wir stellten uns vor, wir könnten daraus prickelnde Holder-Bowle schlürfen aus einem Riesenstrohhalm). Und dann, aus dem Nichts heraus, hörten wir Samba-Klänge. Ein wildes Getrommel, rhythmisch, stampfend, mitreißend. Da war er plötzlich. Der Buckel, vor dem mich alle gewarnt hatten – und mittendrin vier Burschen mit Trommeln, die den Läufern praktisch den Takt vorgaben. Alle, die vor uns waren, gingen den Anstieg hinauf. Ich wollte eigentlich auch gehen. Aber erstens habe ich Bergläufe trainiert und zweitens hatte auch Sarah extra für diesen Lauf Hügellauf trainiert und drittens … ach was weiß ich, was mich da geritten hat. „Ich überhole aufwärts aber niemanden, das ist mir zu stressig“, gab ich Sarah noch schnell bekannt, bevor die Luft fürs Reden zu knapp wurde. Schweigend liefen wir im Samba-Rhythmus die etwa 500 Meter lange Passage noch oben.

Ein Fuß vor dem anderen. Einatmen, ausatmen. Und ich gestehe: ich hatte noch nie in meinem kurzen Läuferleben sowas wie ein Runner’s High. Noch nie. Aber dieser Buckel, kam dem schon ziemlich nahe. Denn ich merkte, nachdem der Puls bei gut 170 Schlägen lag, dass ich lief, wie ein gut funktionierendes Uhrwerk. Es war anstrengend, aber es überforderte mich nicht. Das machte mich sowas von glücklich, das ich gar nicht merkte, wie ich ein Pärchen überholte, das vor mir immer langsamer wurde. „Ich dachte, du überholst bergauf nicht“, sagte Sarah später. Stimmt, hatte ich ganz vergessen. Berglauftraining, ich liebe dich! Das hat ja sowas von funktioniert!

Die verdammten Komma 3 und weiche Knie

Einige Kilometer verflogen, ohne dass ich sie wirklich registriert habe. Ich bin einfach gelaufen, dank Sarah abgelenkt von eventuellen Wehwehchen, wie die linke, mittlere Zehe, die zwischendrin mal wieder Aufmerksamkeit einforderte. Wir liefen durch einen extra aufgestellten Rasensprenger mitten auf der Straße hindurch, klatschten uns mit dem Streckenposten ab, der uns anfeuerte, holten uns Wasser und Melone beim Verpflegungsstand und liefen und liefen. Wir liefen vorbei am Schild mit KM 14 und dann kam das Ziel in Sichtweite. „Mist, ich hab das Ziel gesehen“, sagte Sarah. In dem Moment sah ich es auch und es passierte, was immer passiert: ich bekam weiche Knie. Und das seltsame Verlangen, einfach mittendrin stehenzubleiben und aufzuhören, schlug wieder zu. Wir stellten fest, dass es uns beiden genau gleich ging. Ziel in Sicht? Alles klar, dann können wir ja jetzt aufhören. Zumindest scheint das im Gehirn so abzulaufen. Natürlich rannten wir weiter. Das Schild mit KM 15 kam in Sichtweite. Und ab da war es dann tatsächlich so, als würden wir die letzten 300 Meter durch Pudding waten. Natürlich sahen wir dabei äußerst entspannt und vollkommen athletisch aus, denn dieses seltsame Empfinden existiert ja nur in meinem Kopf – und scheinbar auch in Sarah’s. Mein Puls sprang auf hübsche 180 Schläge, was auch schon wieder eine Sensation für sich ist, denn normalerweise verbringe ich Zieleinläufe in einem Zustand ganz knapp vor dem Koma, bei rund 190 Schlägen.

Und um es kurz zu machen (der Artikel ist eh schon viel zu lang, aber he, es waren immerhin 15 Kilometer und die verdammten Komma 3 noch dazu – freut euch auf meinen Halbmarathonbericht): es war ein wunderschöner Lauf, auf den ich mich körperlich so gut eingestellt hatte, dass ich heute – einen Tag später – weder Muskelkater habe noch sonstige Beschwerden. Ich weiß, ich kann morgen mein HM-Training fortsetzen, ohne zu pausieren. Ich fühle mich pudelwohl. Und das habe ich, neben vielen anderen Erkenntnissen, aus diesem Lauf gestern mitgenommen:

Ich möchte zukünftig jeden Wettkampf so laufen, dass ich hinterher sagen kann: Schön war’s. Anstrengend war’s. Ich habe es genossen. Ich habe mich gefordert, aber nicht überfordert. Mein Körper kommt mit der Anstrengung klar und braucht keine Woche zum Regenerieren. Und wenn ich dafür halt 1h 52 min. auf 15,3 Kilometer brauche, dann ist das perfekt.

Einfach perfekt.

Danke an Ina (perfekte Chauffeurin) , Sarah (perfekte Laufbegleitung), Katharina (perfekter Roadie)! Und danke an Elke mit Roland und Sandra mit Markus, die extra diese weite Anfahrt auf sich genommen haben und unser Team vor Ort komplettiert haben. Perfekt!

Die perfekte Truppe!

 


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Intervalltraining: Tu es!

Vielleicht erinnert sich noch jemand schwach daran, aber dieses grässliche Wort mit „I“, das mag ich nicht. Und das Training, das hinter dem grässlichen Wort mit „I“ steckt, das mag ich noch viel weniger. Liegt vermutlich daran, dass ich nicht besonders drauf stehe, mich zu quälen. Und noch dazu ziemlich wehleidig bin. Und überhaupt ein ziemliches Weichei, wenn es darum geht, an meine Grenzen zu gehen.

Und da heute wieder einer dieser Tage ist, an denen das grässliche Wort mit „I“ im Trainingskalender steht, schreibe ich heute und erzähle euch, wieso ihr unbedingt dieses „Igitt“-Training in euren Plan einbauen solltet. So habt ihr das garantiert noch nie gesehen.

Fahre Achterbahn!

Emotionales Gefühlschaos: Hoffnung, Vorfreude, Angst, Zorn, Wut, Aggression, Erschöpfung, Anspannung, Erleichterung, Stolz – das alles kannst du innerhalb nur weniger Minuten erleben. Während eines Intervalltrainings. Natürlich muss es eines sein, dass dich so richtig an deine Grenzen bringt. Eines, bei dem du weinen möchtest – am Anfang vor Wut, am Ende vor Erleichterung. Beim Intervalltraining kochst du dir sozusagen ein Instant-Süppchen der Gefühle. Zeitsparend, intensiv und hinterlässt ein Gefühl der emotionalen Reinigung. Also nix wie rein in die Laufschuhe und ran an die körperlichen Grenzen!

Fühl dich schnell wie der Roadrunner!

Ok, am Anfang fällt das schwer und du wirst dir eher vorkommen wie ein Trampeltier, das schnaufend den Boden plattwalzt (zumindest geht es mir jedes Mal so – wirklich jedes Mal!). Beim 200-Meter-Intervall, bei dem du über die Grenzen des Vorstellbaren gehst, bei dem dir nach 120 Metern die Oberschenkel anfangen zu brennen und du das Gefühl hast, du watest durch ein Meer von Schokoladenmousse – genau bei diesem Intervall wirst du dir denken: das wird nie was! Aber warte mal ab, bis du zuhause bist. Wenn du erschöpft auf der Couch sitzt und dein Wasser schlürfst, endlich wieder Luft bekommst, die Gesichtsfarbe sich wieder normalisiert … dann kommt der Moment. Der Moment, in dem du dir denkst: „So schlecht war das gar nicht. Eigentlich war ich verdammt flott. Mindestens so flott wie … miep miep!“

Ist er der Richtige?

Möglicherweise bist du auch ein Intervall-Trainings-Motzer, so wie ich. Falls dem so ist, und du gerade auf Partnersuche bist, dann kann ich dir nur raten: lade den Traum deiner schlaflosen Nächte zu einem gemeinsamen Intervall-Training ein. Wenn er dich danach immer noch gut findet, dann schnapp ihn dir! Möglicherweise bin ich da ja die Ausnahme, aber was ich in den Trab- bzw. Gehpausen eines Intervalltrainings so von mir gebe, das steckt nicht jeder weg. Da kommt dann doch ein Teil meines Selbsts an den Tag, den ich normalerweise gerne verstecke – oder zumindest nur gut verkleidet ans Tageslicht lasse. Mein Mann bezeichnete mich heute als „negatives Teilchen“. Er meinte, er gleiche das mit seiner positiven Art dann wieder aus. Das perfekte Team also. Hauptsache, ich darf weiterfluchen.

Schon klar, das ist alles mit einem Augenzwinkern geschrieben, aber wenn es nächste Woche Dienstag wieder heißt „Igitt“-Training werde ich mich trotz allem nicht freuen. Ich werde es hassen. Und hinterher werde ich es lieben. So wie jedes Mal. Auch eine Art von Routine. Und der Mensch ist ja bekanntlich ein Gewohnheitstier. Jetzt freu ich mich aber erstmal auf 6 Tage ohne den „Igitt“-Faktor.

Geschafft! "Igitt"-Training für diese Woche abgehakt :)

Geschafft! „Igitt“-Training für diese Woche abgehakt 🙂

 


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Ich bin ein No Meat Athlete!

Ach, es könnte alles so schön sein! Endlich habe ich den Halbmarathon-Trainingsplan von Matt Frazier aus dem Buch „No Meat Athlete“, das diese Woche im compassion media Verlag erscheint. Ich darf offiziell für den Verlag als Testläuferin voranstürmen und mich mit Matts 21-Kilometer-Plan auf meinen eigenen Halbmarathon im September vorbereiten.

Der Fitness-Plan zum Halbmarathon

Seit gestern hab ich den Plan inklusive dem kompletten Kapitel 9 des Buches, das erst morgen so richtig offiziell erscheint. Und das ist irgendwie schon spannend, als ob man ein Geschenk als erstes aufmachen darf – und mein erster Eindruck ist durchaus positiv. Ich mag den Schreibstil, und auch die abwechslungsreiche Gestaltung – schon interessant, wenn man bedenkt, dass ich bisher nur 1 Kapitel davon gelesen habe. In dem Buch sind Trainingspläne für 5 Kilometer, für 10 Kilometer und gleich zwei Pläne für den Halbmarathon – einmal der „Ins-Ziel-kommen“-Plan und einmal der „Fitness“-Plan. Letzterer ist etwas intensiver vom Training her und enthält zusätzlich Bergläufe. Also genau das Richtige für mich.

Trainingsplan aus "No Meat Athlete"

Nach Rücksprache mit meinem Trainer Kristof werden wir den Plan ein wenig an mein Laufpensum anpassen, denn Matt’s Pläne sind auf ca. 18-20 Wochenkilometer (bei den Halbmarathon-Plänen) ausgelegt. Da ich bisher schon 40-45 Wochenkilometer laufe, werde ich die Umfänge etwas steigern. Grundsätzlich gefällt mir die Einteilung aber spitzenmäßig, denn ich glaube, das dieser Plan wirklich zu schaffen ist – auch mit einem vollgepackten Alltag.

Ich bin ab sofort ein No Meat Athlete und ich krieg sogar noch das passende Trikot dazu!

So und nun zurück zur momentanen Realität.

Alle Jahre wieder

Ich befinde mich in meiner letzten Trainingswoche vor dem Wälderlauf, der kommenden Samstag stattfindet. 13 Kilometer durch den wunderbaren Bregenzerwald – und ich bin endlich wieder dabei! 2012 war ich zum ersten Mal am Start und konnte nur walken, damals noch mit ca. 96 Kilogramm. Letztes Jahr war ich nicht zuhause an diesem Datum und dieses Jahr, mit Kampfgewicht 67 Kilogramm, will ich endlich wieder ran an den Start beim Wälderlauf.

Tja, und was passiert mir normalerweise 3-4 Tage vor einem für mich wichtigen Lauf?

Richtig! Ich verletze mich oder werde krank. Magen-Darm-Infektion, Zehenbruch, entzündete Hüftsehne  – fehlt noch was? Ja, doch, da fehlt was. Eindeutig! Eine kleine Zerrung wäre doch mal nett, zur Abwechslung. Gestern beim Fahrtspiel passiert. Einfach so. Von einem Schritt auf den nächsten. Meine Kehrseite wollte nicht mehr so, wie ich wollte. Die letzten 1,5 Kilometer humpelte ich nach Hause und haderte mit meinem Schicksal. Und ich tue es immer noch.

Wieso immer ich?

So, jetzt ist es raus, denn das ist es, was ich denke. Himmel, das muss doch echt nicht jedes Mal sein. Jetzt laufe ich seit Monaten schmerz- und verletzungsfrei – und dann einfach so von jetzt auf gleich? Und warum kann es nicht irgendwas Cooleres sein, als sich den Po-Muskel zu zerren?

Jammer-Modus aus. Weiter geht’s mit Blackroll, Dehnen, Cremen, Beleuchten und am Freitag wird mich mein Bruder noch unter die Lupe nehmen, der sich als medizinischer Masseur mit genervten Muskeln aller Art auskennt. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass ich am Samstag laufe. Denn heute ist es schon wesentlich besser als gestern, aber ein Risiko werde ich nicht eingehen.

Ach ja, und zu allem Überfluss schreibe ich direkt vor dem Wälderlauf (genaugenommen 4 Stunden vorher) meine Mathe-Matura. Aber vor der kann ich mich nicht drücken. Zumindest nicht wegen eines gezerrten Po-Muskels. Obwohl, probieren könnte ich es ja mal 😉

Das Dehnen der Kehrseite nicht vergessen

 


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Die Null-Bock-Woche

Trainingspläne sind was Schönes. Besonders wenn sie zu Ende sind. Denn dann folgt regelmäßig das, was ich die Null-Bock-Woche nenne. In dieser Woche (oft sind es auch zwei am Stück), darf und soll ich frei und ohne Plan tun, was mir Spaß macht. Ich kann laufen, wie und wann ich will, so schnell ich will – soll aber auch andere Dinge tun wie Radfahren, Schwimmen oder was auch immer. Diese Phase folgt meist auf ein intensives Trainingsplan-Ende, das in irgendeinem fantastischen Lauf gipfelte. Im Winter war das der Silvesterlauf – im Frühjahr war das mein Trainingshalbmarathon gefolgt vom WOW-Frauenlauf.

Nach so einem Gipfel soll also die Spaß-Fun-Run-Woche kommen. Bei mir ist das nicht so. Bei mir kommt nach dem Gipfel das tiefe Tal. Aber sowas von tief. Bereits zum zweiten Mal erlebe ich, dass mir auf einmal überhaupt nichts mehr Spaß macht. Ich hab keinen Bock zu laufen, keinen Bock zu radeln (liegt vielleicht daran, dass ich gar kein Rad habe), keinen Bock zu schwimmen, keinen Bock aufzustehen, nicht mal richtig Bock auf Essen. Meine Grundstimmung ist in dieser Zeit hochexplosiv und im Allgemeinen sehr fragwürdig. Innerhalb von Sekunden sind Umschwünge möglich und zu erwarten. Man könnte auch sagen: ich geh mir grad tierisch selber auf den Keks!

Und in dieser wunderbaren Gemütsverfassung passierten kürzlich zwei Dinge, die mich mal wieder aus der Fassung brachten.

Ich wurde von meinem Trainer nach neuen Zielen gefragt.

Tja, das warf mich dann schon ziemlich aus der Bahn. Denn irgendwie hab ich ja schon alles gemacht, was ich mir für dieses Jahr so vorgenommen habe. Ich bin sogar schon Halbmarathon gelaufen – zwar nur im Training, aber das zählt auch. Zumindest für mich. Klar, der nächste HM soll dann ein Wettkampf sein im September. Hab ich dafür Ziele? Und wenn ja, was für welche? Nach einiger Zeit des Überlegens wurde mir klar, dass es mir eigentlich völlig schnurzpiepsegal ist, in welcher Zeit ich diese 21.1 Kilometer laufe. Darf man das eigentlich laut sagen?

ES IST MIR SOWAS VON VÖLLIG SCHNURZPIEPSEGAL, OB ICH FÜR 21,1 KILOMETER 2 STUNDEN ODER 3 STUNDEN BRAUCHE!

Das was ich will, ist ein schöner Lauf. Ein Lauf bei dem ich noch lachen kann, mich gut fühle, mich anstrenge, alles unter Kontrolle habe, gut aussehe und nicht abgehetzt – und atmen kann. Ja, atmen wäre auch nicht schlecht.

Und wenn ich den Gedanken weiterspinne, dann würde ich das gerne auch von einer Marathondistanz und mehr behaupten können. Fassen wir es zusammen: ich möchte stundenlang und über zig Kilometer in meinem Feelgood-Slow-Turtle-Tempo, das derzeit bei rund 8 km/h liegt, laufen können, die Natur, die Menschen und den Lauf genießen. Mich wohlfühlen, mich verausgaben auf die Distanz gesehen, mich bewegen.

Ist das jetzt ein Ziel?

Vermutlich. Wenn auch nicht unbedingt eins, das man von einer Läuferin erwartet. Denn diese Woche bekam ich via Instagram eine Nachricht zu meinem Finisher-Foto vom Viertelmarathon. Der Gute hat versehentlich gemeint, ich wäre tatsächlich einen ganzen Marathon gelaufen und ratet mal, welche Frage er mir als erstes gestellt hat?

Wie lang hast du dafür gebraucht?

2013: Glücklich nach 12 Kilometern!

… und ich kann mich nur wiederholen: Auch beim Marathon, der auch nur eine Etappe auf dem Weg zu mehr ist, ist es mir wirklich sowas von völlig egal, wie lange ich dafür brauche – solange ich mir diesen Gesichtsausdruck beim Laufen bewahren kann, habe ich alles richtig gemacht.

So, und jetzt wird das Ende der Null-Bock-Woche eingeläutet!


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Der WOW-Lauf beim Bodensee Frauenlauf 2014

Müsste ich diesen Lauf mit einem Wort beschreiben, dann wär’s einfach nur: WOW!

Sowas wie gestern habe ich noch nie erlebt. Alles, was ich bei meinem 1. Frauenlauf 2012 an zweifelhaftem Feedback geerntet habe, habe ich gestern in doppelt und dreifacher Form POSITIV zurückbekommen. Und das lag an meinem tollen Team!

Die WOW-Frauen: 

Cindy, Karin, Seline, Kerstin, Andrea, Marlene, Rikke und Yvonne – alle unterschiedlich und doch viel gemeinsam: die Freude am Frauenlauf und den Teamgeist! Nicht zu vergessen die beiden fabelhaften Journalistinnen, die uns begleitet haben: Marlies von den Vorarlberger Nachrichten und Susi von der Schwäbischen Zeitung. Es war eine Wahnsinns-Truppe, mit der ich die Shoppingmesse des Bodensee-Frauenlaufs gestürmt habe. Gemeinsam waren wir anschließend beim offiziellen Fotoshooting und stellten fest, dass Andreas Hosenbund seinen Dienst nicht mehr tun wollte. Aber wozu waren wir auf einer sportlichen Shopping-Messe? Schnell noch eine neue Hose für Andrea organisiert und nagelneue pinke Kompressionsstrümpfe fanden auch die dazu passenden Waden in unserer Gruppe.

Der WOW-Lauf: 

Wie angekündigt, starteten wir ganz am Ende auf der Lindauer Seebrücke. Hinter uns war niemand mehr außer dem Einsatzfahrzeug vom BRK. Ich durfte offiziell mit einer „Ihr seid spitze“-Fahne auf dem Rücken das Feld abschließen und so liefen wir los. Die Turtletruppe teilte sich bereits zu Beginn in zwei Felder: die Speed-Turtles mit Cindy, Rikke, Andrea, Seline und VN-Redakteurin Marlies führten das Feld an und waren relativ zügig außer Sichtweite. Karin, Kerstin, Marlene, ihre Mutter Yvonne und ich bildeten das Schlusslicht und pendelten uns bei einem konstanten Pace von 9:45 ein. Hinter uns ständig das BRK, teilweise 2 Polizeiautos, THW und weiteres Gefolge.

Für mich war das sehr spannend, da es exakt das Tempo war, das ich bereits vor 2 Jahren bei meinem Debüt lief. Damals mit einem Puls von über 170 und argen körperlichen Problemen. Heute mit einem Puls von 155 (dank der ganzen Aufregung) und einer körperlichen Fitness, die es mir erlaubte, endlich die wunderschöne Strecke zu genießen. Spannend, die Mädels zu begleiten, die teils verblüffend ähnlich fit waren, wie ich damals. Und noch viel verblüffender waren die Reaktionen der Zuschauer. Es waren nicht mehr viele da, wo wir auch hinkamen. Aber die, die noch da waren, die klatschten, feuerten uns an und trieben unseren Puls in die Höhe. Nach 6 Kilometern lachte Marlene, dass sie schon Muskelkater habe – im Gesicht vor lauter Lachen! Vier nette, junge Herren im Schrebergarten direkt an der Strecke boten uns kalte Getränke an – ein paar ausgeflippte Zaungäste sorgten für Party – und am Kaiserstrand gab es sogar eine LaOla-Welle für uns mit Dusche aus dem Gartenschlauch für jede einzelne von uns.

Wir hatten unseren persönlichen Betreuer, von dem ich leider nicht weiß, wer er ist oder wie er heißt, aber falls er mitliest: DANKE! Er hat hinter uns die Strecke abgeräumt, die Schilder abgenommen und vor uns dafür gesorgt, dass wir wissen, wo wir hin müssen, hat den Weg für uns frei gemacht und als wir auf die Seebühne getrabt sind, lief er voraus und rief laut: „Achtung! Achtung! Aus dem Weg!“ – sowas kannte ich bisher nur von den schnellen Läufern, für die der Weg freigemacht wird. Gestern wurde der Weg für uns freigemacht. Ich habe mich wirklich noch nie so besonders gefühlt beim Laufen – im positiven Sinne! Bei Kilometer 8 wartete Speed-Turtle Andrea auf uns, die meinte, sie will den Rest mit uns gemeinsam laufen. Sie war so begeistert von ihrem Lauf, dass sie mir erzählte: „Die Hemmschwelle, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, die ist jetzt weg. Ich lauf weiter!“ Ach, ich hätte grad heulen können, so schön war das.

Bei Kilometer 9 liefen Marlene und ihre Mama Yvonne vor mir, als aus der Menge am Rand plötzlich Hannes, Marlenes Papa und Yvonnes Mann, heraustritt. Zusammen mit ihnen läuft er Richtung Casino-Stadion – so stolz auf seine beiden Frauen, die heute zum ersten Mal 10 Kilometer liefen und bis zuletzt nicht sicher waren, ob sie es schaffen! Das war ein Bild, kann ich euch sagen …

Kerstin, die überhaupt zum allerersten Mal solch eine Strecke lief, kämpfte bis zum Schluss! Und hat es geschafft, gemeinsam mit Karins Unterstützung, die ständig dafür sorgte, dass sie nicht alleine lief. Beständig zwei Meter vor dem Wagen des BRK liefen die beiden von Lindau nach Bregenz.

Und dann liefen wir auf den Eingangsbogen vom Casino-Stadion zu – ein motorisierter Streckenposten hupte, fuhr vor uns her und kündigte uns an – und plötzlich waren auch die anderen wieder da: Seline, Cindy und Rikke holten uns ab. Wir fassten uns an den Händen und liefen auf unseren letzten Metern durchs Casino-Stadion – angefeuert von Daniela und Michaela und Evi, meinen neuen Bodensee-Frauenlauf-Freundinnen, die ich auf der Pressekonferenz kennengelernt hatte. Die machten vielleicht einen Lärm für uns, ärger als der Rest des Stadions 😉

Wir alle liefen in 1 Stunde, 39 Minuten und ein paar Sekunden ins Ziel – die Zielzeitvorstellung lag bei den meisten übrigens bei rund 2 Stunden. Es war einfach großartig! Mit nichts zu vergleichen – ich habe so etwas wirklich noch nie erlebt. Und auch wenn ich weiß, dass ich mir am 21.6.2014 beim Wälderlauf mal wieder alles abverlangen werde, muss ich sagen: das will ich wieder! Turtlerun mit Fahne auf dem Rücken, das bewusste Schlusslicht sein, andere Frauen (gerne auch Männer) begleiten bei ihren Schritten ins Wettlauf-Geschehen … das ist wirklich mein Ding!

Zieleinlauf!

Und jetzt wird’s Zeit für ein paar Dankeschöns:

Allen voran Verena und Patricia, den beiden Schwestern, die den Bodensee Frauenlauf gegründet haben. Ihr beide seid so dermaßen spitze und ich danke euch von ganzem Herzen, dass ihr mir/uns diese Möglichkeit geboten habt! Wir bewegen damit so viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Ihr lebt euer Motto, dass bei eurem Frauenlauf jede Frau eine Siegerin ist. Wirklich jede. Auch die, die erst 30 Minuten später als alle anderen ins Ziel kommt. Das würde ich mir noch für ganz viele Läufe auf dieser Welt wünschen. Dass ihr mich so gefördert habt und sogar noch mit einer offiziellen Frauenlauffahne habt laufen lassen, das vergesse ich euch nie und ich bin so dankbar, dass dieses Mal Frauen mitlaufen konnte, die sich das sonst niemals getraut hätten und die ich mit einem Selbstbewusstsein begleiten konnte, das ich sonst nie entwickelt hätte, einfach weil ich wusste, es ist von euch aus vollkommen in Ordnung, dass wir so langsam sind! DANKE!

Den Streckenposten und dem BRK-Team, die uns über 10 Kilometer mit einer stoischen Ruhe begleitet haben. Die gebremst und gewartet haben, als Kerstin sich nach 2 Kilometern den Schuh wieder binden musste. Die ständig da waren, die uns den Weg freigeräumt und hinter uns aufgeräumt haben. Die an den Wasserständen noch warteten, mit einem Becher Wasser und einem Gartenschlauch. Die, obwohl sie wegen uns Überstunden machen mussten, applaudiert haben, als wir ankamen (möglicherweise auch aus Erleichterung, dass endlich Feierabend ist, haha …)  – es war toll, euch in unserem Rücken zu wissen und sorgte für ein gewisses Gefühl der Sicherheit (gut, ein wenig Verfolgungswahn war evtl. auch dabei).

Den Zuschauern am Straßenrand, die immer noch da waren und für jeden von uns noch einen aufmunternden Spruch parat hatten. Die applaudiert haben, gelacht haben und uns angefeuert haben. Und besonders danke ich jenem Mann, dem ich ein neues Judith-Zitat verdanke, das mir völlig spontan entwich, als er fragte, ob wir zwischendrin einkehren waren, denn wir würden noch so frisch aussehen. „Tja, so ist das“, habe ich geantwortet, „Wer langsamer läuft, ist länger frisch!“

Unseren beiden bewegten Journalistinnen Susi und Marlies. Die uns beide auf ihre Weise und in ihrem Tempo begleitet haben, die es sich nicht nehmen lassen, von dieser Aktion in der lokalen Presse zu berichten. Und das obwohl wir so gar nicht der Norm entsprechen. Heutzutage gewinnt meist der, der schneller, höher, weiter kann – und landet damit auch in den Nachrichten. Ihr beide macht es möglich, dass eine Zeitlang auch mal die in den Lokalnachrichten landen, die genau das nicht sind. Danke euch von ganzem Herzen dafür und ich war gestern sehr stolz, euch in unserem Team zu haben!

Das Schlusswort überlasse ich heute meinem 5-jährigen Neffen Constantin. Der mich mit großen Augen am Abend ansah, als ich mit der Medaille nach Hause kam und fragte:

„Bist du die Erste geworden, Tante Judith?“

„Nein, Schatz, ich bin die letzte geworden.“

„Bist du Dritte geworden?“

„Nein, Constantin, letzte.“

Er überlegt kurz und meint dann: „Aber vielleicht könntest du beim nächsten Mal die Zweite werden. Wenn du etwas mehr übst.“ 

Irgendwann erkläre ich ihm vielleicht, dass man auch als Letzte die Erste sein kann. Aber nicht heute.

Freude nach dem Lauf!

 


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Teil 2 Bodensee Frauenlauf Rückblick

… und ich muss ich wiederholen, denn jetzt kommt der wirklich üble Teil meines Tagebuchs 🙂 Trotzdem werde ich ihn nicht beschönigen, denn genauso intensiv habe ich ihn erlebt. Und ich sag euch ehrlich: ich möchte keine Minute davon missen. Keine einzige Minute! Es war perfekt, so wie es war. Dieser Lauf hat mich geprägt und stark gemacht, für alles was danach kam. Deswegen starte ich dieses Jahr mit meiner eigenen Turtle-Truppe, weil ich damals alleine – in Begleitung meiner Schwester – diesen Lauf gemacht und geschafft habe. Vermutlich der wichtigste Lauf meiner bisherigen Läufer-Karriere. Here we go!

Rückblick Frauenlauf Juni 2012:

Dann hören wir den Startschuss – es geht los! Der ganze Trupp setzt sich in Bewegung und trotzdem dauert es noch an die 10 Minuten bis auch endlich Block G ganz vorne am Start angelangt ist. Die Wartezeit verkürzt uns ein netter Herr, der mit offenem Hemd etwa 4 Stockwerke über uns auf einem Balkon rumturnt. Er winkt uns zu, macht leicht affenartige Bewegungen – ich nehme an, er tanzt. Dann beginnt er, sich auszuziehen… Die ganze Damenmeute schreit kurz auf. Ob vor Schock oder vor Begeisterung ist schwer zu sagen. Dann sind wir endlich am Start angelangt und es kann losgehen. 

Miriam und ich haben abgemacht, dass wir in meinem Tempo joggen. Also Schildkrötenliga. Wir werden permanent überholt. Die mit den Stöcken sind die schlimmsten; denn sie sind bewaffnet. Und sie machen durchaus Gebrauch von ihren Waffen. Da wird von links und rechts überholt, mit den Stöcken wird Platz geschaffen. Scheinbar soll es sogar zu einem kleinen Unfall zwischen Stockbesitzer und unbewaffneter Joggerin gekommen sein – mich wundert, dass keiner mit gebrochenem Bein abgeholt wurde. Es ist nicht schön, wenn dir so ein Stock beim Überholen mal schnell zwischen die Füße geschoben wird und du merkst es zu spät. Natürlich wird auch geflucht und über die langsameren hergezogen. Alles in allem sehr sympathisch diese reine Frauen-Veranstaltung! Wir Frauen sind wirklich ein großes, tolles Team. Alle für eine, eine für alle! Ohne mich. 

Ich schaue auf meine Pulsuhr: 159 Schläge.

Und das schon nach ein paar Hundert Metern. Nicht gut, ich sollte langsamer werden. Geht aber nicht. Von hinten schieben die bewaffneten Ladies und von vorne feuern dich die Zuschauer an. Ich verfalle in schnelles Gehen, statt langsames Joggen, und höre hinter mir schon wieder jemanden schimpfen: „Ja, schlafen wir jetzt ein, oder was?“ Dann werden wir von zwei fluchenden Damen überholt und mein Herz sackt etwas ab. Die sind doppelt so breit wie ich und überholen mich??? Irgendwas mach ich verkehrt. 

Vorne steht ein etwas älterer Herr, der klatscht und uns zuruft: „Super Mädels, immer weiter – das Ende naht!“ Ja, genau! So fühle ich mich gerade, das Ende naht…. Der Puls geht nicht runter, immer noch auf 160 Schlägen. Und vorne kommen schon wieder Menschenmassen, die meine, uns anfeuern zu müssen. Und prompt steigt mein Puls noch ein paar Schläge. Ich kann es nicht mehr beeinflussen. Langsam macht sich Verzweiflung breit. So schaffe ich es nie und nimmer die 5 Kilometer durchzulaufen. Nach ungefähr 2 Kilometern hat sich mein Puls auf stabile 170 Schläge eingependelt, ich jogge wieder. Ganz langsam. Miriam immer an meiner Seite. Die erste Getränkestation. Ein kleiner Junge hält uns 2 Becher mit Wasser hin. Ich greife dankbar zu. Stelle dann fest: Trinken während dem Laufen hab ich eindeutig zu wenig geübt. Die Hälfte schütte ich über mein Shirt. Fühlt sich auch nicht schlecht an. Allerdings wollte ich hier nicht auf Miss-Wet-T-Shirt machen.

Wir laufen das Bregenzer Molo runter – ganz unten bei dem großen Baum auf der Parkbank sitzen 3-4 junge Männer, die ihren Tag mit Bier und Musik verbringen. Sehen aus wie Punks. Normalerweise würde ich da niemals vorbeilaufen, vor lauter Panik, angesprochen zu werden. Bei diesem Lauf allerdings sind das die nettesten Menschen, die mich da ansprechen: „Willst du ein Bier?“ Wie gerne würde ich jetzt ja sagen und mich einfach auf die Parkbank setzen. Aber nein, das Ende naht. Das schaff ich schon. Auch wenn ich ganz kurz mit dem Gedanken spiele, meine Laufschuhe mit dem Zeitnehmungschip auszuziehen, irgendjemandem um den Hals zu hängen und mich auf die Parkbank zu setzen, Bier zu trinken und den anderen beim Laufen zu zusehen. Die Entscheidung fällt: ich laufe weiter. Aber es ist gut zu wissen, dass man immer eine Wahl hat. 

Überholt werde ich jetzt nicht mehr.

Wir sind schon langsam auf dem Weg Richtung Ziel. Im wahrsten Sinne des Wortes langsam. Mittlerweile laufen Miriam und ich fast alleine – die anderen haben uns abgehängt und hinter uns kommen nur noch die, die noch schlechter sind als wir. Eine ältere Dame aus dem Publikum ruft uns zu: „Nicht einschlafen, Mädels!“ Ich bin total empört und würde ihr am liebsten eine ganze Reihe Verwünschungen und Flüche zurufen. Aber ich kriege keinen Ton raus, der Puls ist auf knapp 180 Schläge angestiegen. Genauso wie das Publikum, das mit jedem Meter in Richtung Ziel zunimmt. Aber wozu hat man eine Schwester: „Lauf doch selber mit, du Schnepfe!“ brüllt sie ihr lauthals hinterher. Ich muss lachen, was meinen Puls weitere 5 Schläge in die Höhe treibt. „Sollen wir kurz gehen?“ fragt Miriam. Ich schüttle nur den Kopf. Zu mehr Kommunikation bin ich nicht mehr fähig. Ich will nur noch ins Ziel! 

Weitere drei Zuschauer-Kommentare später, traben wir in Richtung Zieleinlauf. Und dort stehen Menschenmassen!! Soweit das Auge reicht. Miriam fragt noch mal, ob wir vielleicht nicht doch einfach gehen wollen. Ich schüttle wieder den Kopf. Diese Blöße gebe ich mir garantiert nicht.

Ich werde joggen, und wenn es das letzte ist, was ich tue! 

Ein Blick auf die Pulsuhr zeigt, dass der Gedanke gar nicht so abwegig ist. 190 Schläge! Ist das überhaupt noch gesund? Nur noch 300 Meter – ich krieg keine Luft mehr. In der letzten Kurve winken uns Nachbarn aus dem Dorf zu. Normalerweise wäre mir das peinlich gewesen, zu dem Zeitpunkt war mir alles völlig egal. Ich wollte nur zu diesem verdammten Zieleinlauf. Und dann waren sie wieder da: 2 Nordic-Walkerinnen – ca. 100 Meter vor dem ersehnten Ziel. Ich sah Miriam an und sie nickte nur und setzte zum Überholen an. Ich versuchte mitzuziehen, was mich meine letzte Kraft kostete, aber ich schaffe es. Mit einem Puls von 197 Schlägen, hochrotem Kopf und dem Gefühl, jeden Moment umzukippen lief ich nach 51 Minuten und 6 Sekunden Spießrutenlauf ins Ziel ein.

Geschafft. Wir sind Finisher!

Geschafft. Im wahrsten Sinne des Wortes!


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Bodensee Frauenlauf: Rückblick & Vorschau

Noch knappe 24 Stunden bis zum Startschuss in Lindau am Bodensee. Dass Wetter hält, ist genau genommen fantastisch! Und wie ich an dieser Stelle immer mal wieder gerne schreibe … ich glaub, es geht schon wieder los!

Hektische Überlegungen, Gedanken, Planung … dieses Mal nicht nur für mich, sondern auch für meinen Turtlepower-Trupp! Und was gäbe es da Schöneres, als sich ein wenig abzulenken? Werfen wir doch mal einen Blick zurück ins Jahr 2012. Drei Tage vor dem Fraufenlauf – meinem ersten Lauf überhaupt – war ich da nämlich mit ganz anderen Sorgen beschäftigt.

Dieser Text blieb bisher unveröffentlicht. Heute darf er ans Licht und man möge mir die etwas verschärfte Sichtweise mancher Situationen vor Ort nachsehen, schließlich war es mein 1. Lauf und ich war damals noch nicht so wettkampferprobt (man könnte auch sagen: kampferprobt), wie ich es heute bin. Daher liebe Mädels, glaubt nur die Hälfte von dem, was ich schreibe! 😉

Frauenlauf 2012 Siesta und ich!

 

Rückblick Juni 2012: 

Noch 2 Tage bis zum Frauenlauf! Am Donnerstag wachte ich auf und fühlt mich erstmal pudelwohl. Solange, bis ich aufgestanden bin. Dann stürmte ich das WC und verbrachte dort die nächsten 24 Stunden  – unterbrochen von ca. 1 – 2 stündigen Pausen, die ich mit Jammern, Tee trinken und Salzstangen kauen verbrachte. Gegen Abend ging es mir so schlecht, dass mein Mann die Notfallapotheke aufsuchen musste, und mir Tabletten gegen Durchfall, Magenkrämpfe und wachsende Verzweiflung besorgte. Hat leider nicht wirklich funktioniert. Es folgte eine weitere schlaflose Nacht und permanent die nagenden Gedanken: „Werde ich laufen können?“ 

Freitag 8.15 Uhr, noch 1 Tag bis zum Frauenlauf: ich kann aufstehen, ohne gleich die Keramikabteilung besuchen zu müssen! Hurra! Ich bin geheilt. 

10.15 Uhr: Kommando zurück… Es ist doch noch nicht vorbei. Das WC hat mich wieder. Und so geht das weiter bis zum Abend. Gegen 20 Uhr gibt es dann erste Anzeichen der Besserung. Bis zum Schluss des Tages bin ich mir nicht sicher, ob ich am nächsten Tag laufen werde. Andererseits, ich trainiere seit 2 Monaten darauf hin – lasse ich mich von einem fiesen Magen-Darm-Virus aus der Laufbahn werfen?

Samstag, 9. Juni Frauenlauf

10.00 Uhr: Ich fahre noch kurz ins Büro, um zu sehen was ich verpasst habe. Dort treffe ich auf meine Chefin, die mir zu verstehen gibt, dass sie sich Sorgen um meinen Gesundheitszustand macht. Das läge doch bestimmt an meiner seltsamen Ernährung. Und dann fällt mein Lieblingswort: „Mangelernährung“. 

Ich versuche, ihr zu erklären, dass ein Magen-Darm-Virus nichts mit einer Mangelernährung zu tun hat und dass man doch bitte nicht vergessen solle, dass ich in den letzten 10 Monaten nicht ein einziges Mal krank war. Den ganzen Winter nicht. Daraufhin sagt sie mir noch, dass sie das „Zeug“, das ich esse, niemals essen könnte. Ich bin so perplex, dass ich gar nicht wusste, was ich antworten soll. Was für Zeug esse ich denn, das sie niemals essen könnte? Äpfel, Bananen, Mangos, Salate, Zucchini, Paprika, Pilze, Nudeln, Kartoffeln, Brot? Klingt ja auch echt eklig das Zeug. Ich frag mich auch jeden Tag, wie ich so was nur essen kann. 

„Wenn Sie vielleicht Käse essen würden, dann wäre das bestimmt gesünder… Und deswegen muss doch auch kein Tier sterben. Ich verstehe das nicht!“ Mein ohnehin angeschlagener Körper verfällt in Panik. Eine Grundsatzdiskussion über die Milchwirtschaft? Nein danke, das packe ich jetzt nicht. Ich ergreife die Flucht mit einem milden Lächeln und dem Spruch: „Da gibt‘s ganz tolle Bücher drüber, wenn es Sie interessiert, lesen Sie doch eins.“

90 Minuten später, beim Startnummern abholen, überfällt mich dann doch leichte Panik.

Überall schwirren sportlich aussehende Menschen rum. Beim Eingang in die Halle, trifft mich fast der Schlag. Es hat gefühlte 58°C und der Trubel macht mich ganz nervös. Meine Schwester Miriam und ich sind für die Pink-Ribbon-Gruppe angemeldet, die für einen guten Zweck laufen. Und dafür bekommen wir ein gratis T-Shirt. In Pink. Wir laufen also mit unserem Gutschein zum Pink-Ribbon-Stand und die nette Dame präsentiert uns die Shirts. Meines sieht aus als wäre es in der Waschmaschine eingelaufen. Aber ist Größe XL. Steht zumindest drauf. Mit diesem Problem beschäftige ich mich später zuhause vor dem Spiegel. 

Auf dem Weg zum Auto muckt mein Magen wieder ein bisschen. Aber ich denke, es wird schon gehen. Vielleicht muss ich walken – ich probiere es auf jeden Fall. Schließlich habe ich ein pinkes T-Shirt. 

Zuhause merke ich: das T-Shirt ist mindestens eine Nummer zu klein und 6 cm zu kurz, als dass ich mich darin wohlfühlen könnte. Ich schließe einen Kompromiss und ziehe eine schwarze Weste drüber. So muss es gehen! 

Und dann stehen wir plötzlich mitten in 3.300 Frauen!

Es hat so ein bisschen was von einem Hühnerstall. Überall wird geschnattert, gekichert, gelacht. Eine sehr aufregende Stimmung. Nach kurzem Suchen finden meine Schwester Miriam und ich auch meine andere Schwester und meine 13-jährige Nichte, die zum ersten Mal mitläuft. Wir starten im Block G.

G steht für „Gemütlich“. Hinter uns ist nur noch der Block H für die Nordic-Walker.
H steht für „Hau die aus Block G mit den Stöcken aus der Bahn“. 

Etwa 300 Meter vor uns steht auf einem Podest eine schlanke, sportliche Frau, die zum Takt der Musik Aufwärmübungen vorturnt. Wir sollen mitmachen. Um besser sehen zu können, rücken die schnatternden Damen näher zusammen. So wird‘s schön kuschlig. Dann werden die Arme geschwungen und Ausfallschritte gemacht, ohne Rücksicht auf Verluste in der näheren Umgebung. Ich beschließe, mich rauszuhalten – schließlich soll ich nachher noch 5 km laufen und will mich nicht beim Aufwärmen schon fertig machen. 

Dann hören wir den Startschuss – es geht los!

… tja, und was dann noch alles geschah, das erzähle ich euch morgen vormittag 😉

 

 

 

 

 


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Slow down – die Entdeckung der Langsamkeit

Als ich anfing zu laufen, habe ich bereits die Langsamkeit für mich entdeckt. Kein Wunder, denn viel anderes gab es für mich nicht zu entdecken. Und nach meinem letzten Wettlauf am vergangenen Samstag, begann ich wieder mal nachzudenken. Den irgendwas stimmte nicht mehr.

Ich fühlte mich nicht gut. Ok, ich war gerade erkältet und musste ein paar Tage Laufpause einlegen, was auch nicht gerade förderlich für mein Wohlbefinden war. Und so stand ich also zwischen sportlich gekleideten Menschen, die sich in 2-er Teams gruppierten und dachte mir mal wieder:

Wieso tust du dir diesen Mist eigentlich an?

Dann begann das Warmlaufen. Dann begann der Countdown der letzten 60 Sekunden und ich hörte auf, nachzudenken. Dann ertönte der Startschuss. Ich lief los, denn ich durfte die erste Runde absolvieren. 800 Meter, danach Wechsel mit dem Teampartner, der die 2. Runde lief. Ich rannte also und war nach kurzer Zeit in meinem GA3-Bereich bei rund 175 Schlägen pro Minute. Ich fühlte mich gar nicht so schlecht. Die 800 Meter waren bald geschafft und insgesamt lief ich 7 Runden, mein Mann 6 Runden. Als Team schafften wir 13 Runden für den guten Zweck und sicherten uns damit den 8. Platz in unserer Altersklasse. Insgesamt gab es neun.

Ich bin also gerannt wie der Teufel. Herzklopfen bis zum Anschlag. Und wurde mit dieser Leistung Vorletzte. Ich würde ja gern sagen, es lag an meinem Mann – aber das ist nicht so. Hätte er mich nicht an der Backe gehabt, hätte der bestimmt noch 2-3 Runden draufgelegt. Zuhause war ich dann total gestresst und überlegte mir Dinge, wie:

  • Sind bei solchen Läufen denn nur überdurchschnittlich gute Läufer dabei?
  • Oder bin ich einfach so schlecht?
  • Und wenn ich so schlecht bin, dann bin ich damit doch nicht allein auf der Welt?
  • Wo sind all die andern langsamen Läufer?
  • Nehmen die nicht an solchen Läufen teil?
  • Wieso denn nicht?
  • Trauen sie sich nicht?
  • Weil sie dann möglicherweise letzter oder vorletzter wären?
  • Was ist hier eigentlich los?

Ich habe die letzte Zeit versucht, einer Zeit hinterherzurennen, die ich (noch) nicht in der Lage bin zu schaffen. Mein Traum war es, beim Frauenlauf die 10 Kilometer unter 60 Minuten zu schaffen. Und wieso will ich das?

Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung.

Denn ich habe als langsame Läuferin angefangen und mein Wunsch war es immer, anderen langsamen Läufern Mut zu machen. Damit sie auch mitlaufen, damit wir uns gemeinsam am Ende der Wertungszeiten wiederfinden. Und das Paradoxe ist ja: Sogar wenn ich die 10 Kilometer unter 60 Minuten schaffen würde – sogar dann wäre ich nur im Mittelfeld, allerhöchstens.

Und mal ehrlich: im Mittelfeld gibt es sooooo viele! Da braucht’s mich nicht auch noch.

Ich bleibe lieber hinten, genieße meine Zeit und meine Läufe und habe viel länger was vom Wettkampf, von der Strecke, von den Leuten, von der Atmosphäre. Denn, wie ein weiser Mann kürzlich via Facebook zu mir sagte:

Warum sollte ich die Zeit, die ich damit verbringe, meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Laufen, nachzugehen, unbedingt so schnell wie möglich hinter mich bringen?

Und damit hat er sowas von recht. Und er hat mich dazu gebracht, mich wieder zu erinnern, wie ich eigentlich angefangen habe. Was „mein Ding“ war. Ich bin langsam. Und das ist gut so.

Heißt das jetzt, dass ich mich nicht mehr im grenzüberschreitenden Training der Grausamkeiten anstrengen werde? Heißt das, dass ich beim Frauenlauf nicht in der Gruppe der 60-Minuten-Ladies mitlaufen werde?

Nein, das heißt es nicht! Ich werde mich anstrengen und ich werde mit der fabelhaften Gabi als Pacemakerin beim Frauenlauf in der 60-Minuten-Gruppe starten. Aber wenn es mich zwischendrin überkommt, dass ich denke, ein wenig langsamer wäre auch ganz nett, dann werde ich dem nachgeben. Und wenn das heißt, dass die Gruppe mich abhängt, dann wird das so sein. Und wenn das heißt, dass ich ganz alleine nach 1 Stunde und 20 Minuten durch das Ziel laufe, wenn vielleicht keiner mehr da ist, dann wird das so sein. Und es wird gut sein.

Und an dieser Stelle möchte ich dem Frauenlauf-Team einen Vorschlag machen: beim nächsten Mal Frauenlauf macht doch bitte bei der 10-km-Strecke nach dem letzten Startblock D (der für die 60-Minuten-Ladies ist) noch einen weiteren. Einen Block T für Turtlerunner. Denn auf den ersten Blick könnte man meinen, nach Block D gibt es nichts mehr. Sprich, die 60-Minuten-Läufer sind sowieso schon die Langsamsten. Hätte ich nicht schon mehrjährige Erfahrung als Schlusslicht eines jeden Laufes, dann würde ich mich niemals trauen, mich für diesen Lauf anzumelden, da ich befürchtete, ich müsste mindestens in die Gruppe D passen. Aber es gibt noch so viele Buchstaben im Alphabet und es wäre schön, wenn es für die, die nicht ins Schema passen auch einen eigenen Startblock gibt.

Nix für ungut, Ladies. Einmal Turtlerunner, immer Turtlerunner! 

An dieser Stelle nochmal danke an Isa, Ariane, Ina und meinen Mann, die am letzten Samstag beim Teamlauf in Oberreitnau mit mir gekämpft haben – wir waren alle spitzenmäßig!

Girls, Girls, Girls - on the run!

 


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Laufmantra

Laufen macht den Kopf frei. Heißt es immer.

Bei mir ist das genau andersrum. Ich hab danach immer dermaßen viele Gedanken im Kopf, dass ich sie aufschreiben muss. Denn ich lerne unheimlich viel während des Laufens. Über mich. Was für Ängste ich habe, welche Zweifel da sind … und wie man es schafft, den ganzen Blödsinn abzustellen. Also die Ängste und die Zweifel.

Da ich selbst aber meistens in Gedanken bin und außerdem damit beschäftigt, halbwegs vernünftig atmen zu können und einen mehr oder minder aufrechten Gang zu bewahren, während ich laufe, brauche ich dabei manchmal einen Schubser von außen. Mental gesehen natürlich. Ein tatsächlicher Schubser während des Laufens hätte fatale Folgen, die ich mir gar nicht ausmalen möchte. Denn so gefestigt bin ich ja noch nicht in meinem neuen Training.

So geschehen letzten Montag. Intervall-Training. Alleine das Wort lässt mir momentan die Nackenhaare zu Berge stehen. Nicht, dass ich davon viele hätte, aber sagt man halt so. Es scheint eine Art Trauma zu sein. Das vorletzte Intervall-Training (iiih, da ist es schon wieder!) war ja nicht gerade mein angenehmstes. Aber soll ein Intervall-Training (ah, jetzt langt’s aber!)  überhaupt angenehm sein? Soll überhaupt irgendein Training angenehm sein? Ich sag jetzt einfach mal: nein. Und außerdem ist alles unangenehm bevor es angenehm wird. Zumindest die Sachen, die einen Überwindung kosten. So entwickelt man sich weiter. Als Sportler. Als Mensch. Und überhaupt. Denke ich. Hoffe ich. Glaube ich.

Zurück zum Inter … nein, ich schreib’s jetzt nicht nochmal. Ich werde es ab sofort „Grenzen-Überwindungs-Training“ nennen. Letzten Montag stand also das GÜ-Training auf dem Plan. Zur mentalen und körperlichen Unterstützung begleitet mich beim GÜT immer mein Mann. Und um zu verstehen, wieso das hier so wichtig für mich ist, muss man folgendes wissen: Er ist kein Mann großer Worte (für die Worte bin ich zuständig, meine reichen für uns beide), aber wenn er was sagt, dann nie ohne Grund. Ich also mal wieder leichte Panikattacken kurz vor dem Grenzen-Überwindungs-Training: „Schaffe ich das?“ „2 Kilometer in dem Pulsbereich? Das ist aber schon hart.“ „Ich weiß nicht, ob ich den Puls so schnell hochkriege …“  Blablabla … ich sag ja, meine Worte reichen für uns beide. Wenn nicht sogar noch für 2-3 weitere Familienangehörige.

Und alles was er dazu sagt ist:

Du musst nur rennen. Sonst nichts.

Und das mit einer Gelassenheit, die selbst einen Pandabären beim Mittagsschlaf vor Neid erblassen lassen würde. „Du musst nur rennen? Sehr witzig“, giftete ich zurück. Aber dann, das Einlaufen ging los, die Atmung wurde schneller – Sprechen war nicht mehr ganz so lustig – begann ich, wie immer beim Laufen, nachzudenken. Stimmt ja eigentlich. Ich muss nur rennen. Sonst nichts. Nicht denken. Nicht zweifeln. Nicht reden. Nicht durchdrehen. Nicht ängstlich sein. Einfach nur rennen. Wie früher. Als ich klein war. Da bin ich auch ständig gerannt. Wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass das irgendwie beängstigend wäre. Und nur weil ich heute mit GPS-Uhr, Pulszonen und einem Wettkampfziel ausgestattet bin, hat sich an der grundlegenden Sache überhaupt nichts geändert.

Ich muss nur rennen. Sonst nichts.

Und das ist so kinderleicht, dass ich schon wieder lachen muss. Über meine Kompliziertheit. Nur rennen. Ganz einfach.

Einfach nur rennen. Kinderleicht!

Dieses Bild stammt übrigens von der wunderbaren Fotografin und Journalistin Susi Donner, die mit mir ein Interview für die Schwäbische Zeitung geführt hat. Danke, liebe Susi!


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Schiff auf zwei Beinen oder Wie ich nochmal laufen lerne

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Intervalltraining

Ich trabe im Warmmach-Tempo vor mich hin. Noch 20 Sekunden bis zum Intervall meldet der Garmin. Noch 10 Sekunden. Ich laufe ein wenig schneller, schließlich will ich vom Intervall-Tempo nicht überrumpelt werden. Noch 3, 2, 1 … LOS! „1. Intervall für 800 Meter in der Pulszone 172 – 181“, befiehlt der Garmin mit einem nervigen Piepsen, vibrierend am Armgelenk. Ich laufe schneller, atme schneller. Nach 10 Sekunden habe ich das Gefühl, ich kann nicht mehr schlucken. Irgendwie ist alles so trocken. Nach 30 Sekunden habe ich das Gefühl, ich kann nicht mehr atmen. Kein Rhythmus. Der Garmin vibriert genervt: „Puls zu niedrig“. Ich laufe weiter, will nicht zu sehr beschleunigen, denn schließlich muss ich 800 Meter durchhalten. Das kann verdammt lang sein. Bei jedem Ausatmen ist inzwischen ein seltsamer Ton  hinzugekommen, nicht vom Garmin, sondern von mir. Eine Art Ächzen. Ich keuche. Vor lauter Speed (gefühlter Speed, in Wirklichkeit war’s wohl irgendwas um die 10 km/h) werde ich unkonzentriert, muss aufpassen, dass ich nicht stolpere. Wie ein Schluck Wasser in der Kurve, versuche ich, meine Bahn zu halten. Atmen geht immer noch nicht geräuschlos. Nur durch den Mund. Koordiniertes Laufen sieht auch anders aus – ich schwanke, wie ein Schiff auf zwei Beinen. Nach rund 300 Metern habe ich endlich diesen verdammten Pulsbereich erreicht. Allerdings nur die unterste Grenze davon.

Was ist passiert?

Ganz grob kann man sagen, mein Körper muss nun mit einer Geschwindigkeit laufen, um den angestrebten Pulsbereich zu erreichen, die er noch nicht kennt. Die Beine müssen sich schneller bewegen, die Atmung muss sich anpassen, Muskeln, Sehnen, Bänder – das Zusammenspiel funktioniert noch nicht wirklich in dem Bereich. Wir haben uns daran gewöhnt, gemütlich mit 7 km/h vor uns hinzutrotten. Darin sind wir inzwischen großartig und beinahe unschlagbar! Aber das hier? Das ist neu. Nachdem ich mich deswegen bei meinem Trainer ausgeheult habe und ihm mitgeteilt habe, dass ich fürchte, ich bin nicht dazu gemacht, so schnell zu laufen, hat er es mir dann erklärt.

Es ist ein bisschen so,  wie wenn du nochmal Gehen lernst.

Dein Körper lernt jetzt, sich mit einer neuen, schnelleren Geschwindigkeit fortzubewegen – er ist es nicht gewohnt, da er es bisher nie musste. Neue Abläufe werden mit jedem Training innerhalb des Körpers programmiert. Anfangs kann das unkoordiniert sein, die Atmung passt nicht – eigentlich passt gar nix. Aber der Körper lernt. Jedes Mal. Jedes verfluchte Intervalltraining. Und ja, geflucht habe ich in den Trabpausen wie ein Weltmeister (darin bin ich ausgesprochen gut). Das ändert nix daran, dass ich gestern hätte heulen mögen. Ich fühlte mich, wie ganz am Anfang. Kaugummi unter den Füßen, Waten durch ein Meer aus flüssigem Zement. Anstrengung, Schweiß, zeitweise Überforderung – und immer wieder kurz der Gedankenblitz: „Lass es sein. Das kannst du nicht!“ Aber genau das stimmt nicht. Ich kann es sehr wohl. Als ich klein war und laufen lernte, bin ich auch oft auf die Schnauze gefallen. Habe ich damals meinem inneren Kritiker geglaubt? Nein. Ich bin so oft wieder aufgestanden, bis das Laufen von selber ging. Bis ich nicht mehr drüber nachdenken musste. Und deswegen bin ich gestern diese doofen 6 Intervalle gelaufen. Zornig, wütend, erschöpft und atemlos. Aber ich bin gelaufen. Werden wir schon noch sehen, wer hier den längeren Atem hat. In einem Jahr werde ich dann hier zu diesem Eintrag zurückblättern. Dann schauen wir mal, was sich bis dahin getan hat. Aber eins ist sicher: liegenbleiben gilt nicht!